Sounds and Silence

What You See is what You Hear

Film-Besprechung zuerst erschienen bei schnitt.de

Das Münchner Label ECM produziert Aufnahmen, die man statt schlicht als Musik gerne als Erlebnis werten darf. In ihrem neuen Film nehmen Peter Guyer und Norbert Wiedmer uns mit auf Tour mit Manfred Eicher, und lassen uns mithören und einsehen, wieso diese Einschätzung nicht übertrieben ist …

Vor knapp einundvierzig Jahren gründete Manfred Eicher sein Label ›ECM‹ (Editon of Contemporary Music). Es ist eine deutsche Erfolgsgeschichte eines Mannes (selbst Jazzmusiker), der begriff, dass er sich der Sache »tiefer widmen« könne. Diese seine Einsicht ist unser Glück. Als Produzent und Verleger, als »Seele und Motor von ECM« steht sein Name seither synonym für die Erlesenheit und Qualität jeder einzelnen Scheibe des Münchner Labels.

Den Neuling mag es indes befremden, in jedem ECM-Booklet auf den selben Produzenten zu stoßen. Peter Guyer und Norbert Wiedmer haben der Person Eicher und seinem Schaffen mit »Sounds and Silence« nun sogar ein stilles filmisches Denkmal gesetzt. Ihr Film ist eine »Spurensuche an Konzerten, in Aufnahmestudios, in Hinterzimmern und an Wegrändern mit den Musikern Arvo Pärt, Eleni Karaindrou, Dino Saluzzi, Anouar Brahem, Gianluigi Trovesi, Marilyn Mazur, Nik Bärtsch, Kim Kashkashian, Jan Garbarek und vielen weiteren. Ein sinnliches, eindringliches und meditatives Roadmovie …«

––––– Sounds –––––

Besonnen fangen die beiden bildlich ein, was das Label musikalisch auszeichnet: ECM ist seit langem das einflussreichste deutsche Label für zeitgenössische Musik, für neue Jazz- und Klassik-Kompositionen und deren Interpreten sowie für vielfältige Crossovers. Eicher produziert keinen Mainstream. Alle ECM-Scheiben leben und transportieren erfolgreich das Ideal des Erhabenen. Diese Qualität kommt nicht von ungefähr: Manfred Eicher »gibt sich dem Moment hin und gehört dann voll und ganz dem jeweiligen Künstler«, schwärmt Eleni Karaindrou über ihre Zusammenarbeit. Musik hat, wie Eicher gleich zu Anfang sagt, keinen Ort. Dabei redet Eicher nicht sehr viel. Er sagt nur das Nötige. Der Raum aber, den er der Musik gibt, und die Räume, die sie so für uns eröffnet, geraten umso größer, voller und lebendiger. Jede Scheibe eine Offenbarung. »Jedes Etwas … ein Echo von Nichts.« Sicher wird John Cage seine Meinung, Aufnahmen seien keine Musik, nach einer ECM-Aufnahme ein klein wenig revidiert haben.

Berühmt wie die musikalische Produktion, ist es auch das oftmals assoziative Cover-Design von ECM. Guyer und Wiedmer gelingen gleichsam assoziative Bildschleifen, die die große Leinwand verdienen, und diese selbst in Schwingung zu versetzen scheinen. Licht gewordener Ton.

Eicher selbst suche bei den Aufnahmen in oftmals authentischen Räumen nach dem »Leuchten des Klangs«, nach jenem Ton, der wie ein Komet einen gleißenden Schweif nach sich zieht. »It would be more mystical«, stimmt Nik Bärtsch mit ein, was auch Arvo Pärt sofort unterschreiben würde. Geduldig beobachten wir die Künstler bei ihrem schöpfenden Schaffen, dem feinfühligen modulieren von Ober- und Untertönen, und wie sie selbst den eigens erstellten Klängen wieder und wieder lauschen. Mit ihnen er-warten wir die Stille, wenn die Klänge verklingen und nur noch in uns selber, da, fortklingen.

––––– Silence –––––

Verständigung braucht (beinah’) keine Worte in den musikalischen Dialogen jener Künstler. Und unser Verstehen dessen braucht keine schnellen Schnitte. Heutzutage darf man gar nicht dankbar genug sein, wenn auch ein oder zwei Filmemacher das begreifen. Bei Guyer und Wiedmer dürfen wir sehen, wie wir hören. Was sonst die Musik zum Film, ist hier wahrlich der Film zur Musik. Das Seh-Medium folgt, mit unvorstellbarer Zurückhaltung, entspannt dem Hör-Medium. Kontemplation scheint hier, wie bei den musikalischen Vorlagen, erwünscht.

So ist »Sounds and Silence« zurecht mittlerweile für den Schweizer Filmpreis 2010 nominiert: ihm gelingt ohne jede Verrenkung, Antwort zu geben auf die Frage, warum wir eine ECM-Aufnahme noch lange nach dem Hören in uns spüren. Weit hinaus über die unmittelbare Erfahrung der Geräusche, die der eine Musik nennt. Und der andere »… ein Echo von Nichts.«

Es bleibt zu wünschen, dass uns und ihrer Kunst nicht nur Manfred Eicher, sondern auch Peter Guyer und Norbert Wiedmer noch lange erhalten bleiben werden.


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