Avatar
… der neue ›Alien5‹ / Camerons Übermütter und das Ende des Kampfes gegen die Natur
Die halbe Welt ist im ›Avatar-Fieber‹. Völlig zurecht! Regisseur James Cameron schließt endlich den Kreis, den Ridley Scott 1979 mit ›Alien‹ öffnete …
Nicht aber das viele, gleißend glühende Bunt von Camerons ›Öko-Action-Buster‹ ließ mich taumeln, auch nicht die Rückkehr in unsere ach-so ›normale Realität‹ danach. Auch inhaltlich ist ›Avatar‹ für sich allein betrachtet (wie schon im Trailer abzusehen) ein einz’ges Ärgernis. Was mich begeisterte, war die Fortschreibung des für Cameron typischen Themenkomplexes: ›Technik und ihre Übermacht – starke Frauen – Naturgewalt kontra Naturbeherrschung – Wirtschaftskonzerne‹ … Dabei gelingt ihm nicht nur der ständige Rückbezug auf sein eigenes Schaffen, sondern auch auf viele andere Genre-Klassiker. So amalgamieren in ›Avatar‹ 30 Jahre Filmgeschichte (’79–’09) auf bisher ungesehene Art und Weise, was dann doch wieder Freude macht …
1979 – ›Alien‹ – Regie: Ridley Scott
Für diesen Science-Fiction-Klassiker gelang es dem Regisseur Scott die Rolle des bis dato ausschließlich männlichen Kinohelden mit einer Frau umzubesetzen: Lt. Ellen Ripley alias Sigourney Weaver. Per Raumschiff eigentlich nur geschürftes Erz durchs All frachtend, sieht sie sich bald schon allein einem ›unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt‹ gegenüber, nachdem dieses schon den Rest der Crew in besseren Humus für seine Nachkommen verwandelt hat. Dieses sogenannte Alien (der die das Fremde an sich) ist Natur pur. Es macht sich daran, den von Technik beherrschten Raum (das Schiff) zurück zu erobern, zu besetzen und in Natur zurück zu transformieren (in eine Bruthöhle). Es kennt nur den Trieb sich fortzupflanzen und der ist ihm sein unnachgiebiger Antrieb. Ohne Gewissen, konsequent und ohne Ausnahme, darin wiederum zu 100 Prozent unschuldig, da reinste Natur, nimmt es sich einen Körper nach dem anderen, um ihnen seine Nachkommen per Phallus einzupflanzen. Jeder Akt eine Vergewaltigung (die den Tod des Wirts zur Folge hat). Am Ende dieses ›Space-Horrors‹ stehen sich also Mann (Alien) und Frau (Weaver/Ripley) gegenüber. Sie sind die letzten ihrer Art. ›Sie‹ zieht sich ein Ganzkörper-Verhüterli über (den Raumanzug), lockt ›ihn‹ aus der Reserve, und … öffnet die Schleuse zum Weltraum (›wo dich keiner schreien hört‹). ›Ihn‹ zieht’s raus. ›Sie‹ ist gerettet. Mittels Technik (Schutzanzug & Raumschiff) ist die Natur (das Alien) besiegt. Vorerst …
Die Firma (Weyland-Yutani), für die der Erzfrachter unterwegs war, so erfahren wir im Verlauf des Films, hatte einen sogenannten Androiden (eine Art Cyborg-Roboter in menschlicher Hülle) unter die Crew geschmuggelt. Der verhindert immer wieder, dass das Alien getötet wird, sondern eigentlich zur Erde gebracht werden soll. Die letale Kraft des Wesens (Schnelligkeit, Säure als Blut usw.) hätte als potenzieller Forschungsgegenstand oberste Priorität gegenüber den an Bord befindlichen Menschenleben.
1984 – ›Terminator‹ – Regie: James Cameron
In Camerons ›Terminator‹, der heute genauso wenig aus der Filmlandschaft wegzudenken ist, wie Scotts ›Alien‹, finden sich folgende Aspekte aus ›Alien‹ wieder: Zum einen ist da Sarah Connor (Linda Hamilton), Camerons weibliche Heldin mit Cassandra-Komplex (ab Teil 2 kennt sie die Zukunft so gut wie kein anderer, will sie ändern, aber kann sie es?). Ihr Sohn wird einmal den entscheidenden (Widerstands-)Kampf gegen die Maschinen führen, wenn diese die Weltherrschaft über die Menschen einmal übernommen haben werden. Um das zu verhindern, wird eine der Maschinen, ein ›Terminator‹ (Arnold Schwarzenegger), aus der Zukunft in die Gegenwart geschickt, um die junge Connor zu töten, noch bevor sie ihren Sohn John zur Welt bringen kann.
Am Ende muss auch Sarah Connor sich allein dem (Maschinen-)Monstrum (in Männergestalt) erwehren, nachdem ihr Beschützer und Vater ihres Kindes bei seinen Pflichten zu Tode kam. Im Vergleich mit Ripley, die noch eher flüchtete, als kämpfte, ist Connor die schon toughere, zu der Ripley erst noch werden wird. Und dann ist da also dieser Cyborg: auch er kennt, wie das Alien, weder Reue noch Gewissen, Mitleid oder Angst. Nur ist er alles andere als Natur. Er ist im besten Falle pervertierte Natur: ein Maschinenskelett, das überzogen wurde mit was, das wie Menschenhaut sei.
Auch in ›Terminator‹ spielt eine Firma (die Cyberdyne Systems Corporation) ihr böses Spiel. Ähnlich wie in ›Alien‹, ist ihr Fortschrittsglaube Motor ihrer Bemühungen und Unterlassungen, was letztlich erst zur Übermacht der Maschinen, in Form der Künstlichen Intelligenz ›Skynet‹ führen wird. Auch der Bau des Terminator selbst wäre natürlich nicht ohne jene Prämissen möglich geworden. Wir sehen: Die unendliche Weiterentwicklung von Technik ist für Cameron nicht vereinbar mit ihrer Beherrschbarkeit. Nachvollziehbar.
Alle diese Themen werden in den Fortsetzungen dieser beiden Kultfilme und zuletzt auch in ›Avatar‹ fortgeschrieben, moduliert, variiert und um Details bereichert (mal von Cameron selbst, mal von anderen).
1986 – ›Aliens‹ – Regie: James Cameron
In diesem zweiten Teil der ›Alien-Reihe‹, ist Camerons Handschrift überdeutlich zu spüren: Er schrieb das Drehbuch und verpasste Sigourney Weavers Figur eine natürlich auch für die story relevante back-story-wound. Mit diesem Teil wird Ellen Ripley endgültig zu der heute bekannten ersten großen Kino-Heldin. Wir erfahren, dass sie Mutter einer Tochter sei, ihr Beruf (und die damit verbundenen ständigen vielen Jahre im Hyperschlaf) die Familie aber entzweite. Ohne ein intaktes irdisches Sozialgefüge begleitet sie, in beratender Funktion, bis an die Zähne bewaffnete Marines zu einer Kolonie der Firma (›This time it’s war!‹). Hier hat sich die Alienbrut zahlreich vermehrt und die Angestellten bereits ordentlich dezimiert. Die Beziehungen sind in ›Aliens‹ deutlich komplexer angelegt als in ›Alien‹. Weavers Figur verfügt nun bereits über die Erfahrungen des ersten Teils. Sie rät den Marines denn auch, sich nicht allzu hohe Chancen auszurechnen, etwas gegen die Aliens ausrichten zu können. Sie soll recht behalten. Alle bekommen kräftig auf die Mütze.
Doch da ist ja die ›cameronsche‹ Weaver / Ripley: sie lernt mit Waffen umzugehen, kann sich nun mit weiblich-mütterlicher Intuition in das zuvor fremde Wesen hineindenken und als wäre dies nicht genug, beflügeln sie die neu entflammten Mutterinstinkte (für die kleine Angestellten-Tochter Newt) zu eigenen ungeahnten Heldentaten. Sie legt, so kann man sagen, einen kräftigen Gang zu im Kampf gegen die Natur. Das muss sie auch; führt Cameron in ›Aliens‹ doch die Alien-Queen ein, die ganz nach dem Modell eines Bienenstaates, mit einem ganzen Heer unterschiedlich spezialisierter ›Untergebener‹ aufwartet. Nicht zu vergessen, ihre eigene Größe und Kraft und ihr Wille einer Löwin, ihre ›Jungen‹ bis auf’s Letzte zu verteidigen. So bestreiten das fulminante Finale – wie könnte es anders sein? – die beiden Mütter unter sich allein: Weaver / Ripley im sogenannten ›Powerloader‹ (Lastenheber), einer Art Gabelstapler, der seinen ›Operator‹ das Verladen schwerer Maschinen und Munition erleichtern soll. Ihren Körper also um ein kräftiges Paket Technik verlängert (ganz wie später auch Colonel Miles Quaritch in ›Avatar‹), gelingt ihr letztlich wieder, wenn auch unter weitaus größerer Anstrengung, der Sieg über das Alien, ganauer: über die Übermutter schlechthin. Eigentlich ist es ein ungleicher Kampf: die Queen ist mindestens dreimal so groß wie ein Mensch, allein ihr Schwanz ist gefährlicher als es jeder Mensch ohne Werkzeug sein kann. Der Mensch jedoch ist sehr erfinderisch. Und so rettet Ellen Ripley auch in diesem Fall die Technik. (Auch die Na’vi aus ›Avatar‹ haben Schwänze, wenn auch nur ›kraftlose Pferdeschwänze‹. Sie sind keine direkte Waffe, sondern quasi Stecker, um sich mit der Natur zu verbinden und gegebenenfalls aus dieser Verbindung neue Kraft oder Möglichkeiten zu generieren, ob es das Heraufbeschwören der Ahnen ist, oder das Beflüstern von Reit- und Flugtieren.)
1991 – ›Terminator 2: Judgment Day‹ – Regie: James Cameron
In seiner Terminator-Fortsetzung zeichnet Cameron auch Sarah Connor (Linda Hamilton) weitaus härter, stählerner, kämpferischer, als im ersten Teil schon, in dem sie selbst nie ganz zu begreifen schien, wie ihr eigentlich geschah. Was Weaver / Ripley im Kampf gegen Aliens, ist Hamilton / Connor im Kampf gegen die Maschinen. Während die erste die Maschinen noch zu beherrschen weiß, muss die zweite aber vor deren Übermacht kapitulieren. Sie weiß, der Kampf gegen die Maschinen ist kaum zu gewinnen, daher will sie deren Aufleben schon im Keim verhindern und deren zentrale Entwicklungsstelle, die Firma Cyberdyne in die Luft sprengen … Hamilton / Connor ist eine Löwenmutter gleichen Ranges wie Weaver / Ripley und die Alien-Queen. Wie in den Alien-Filmen, geht es aber auch in der Terminator-Reihe nicht allein um die Beziehung unserer Heldin zur Bedrohung. Denn diese hat in beiden Fällen das Potenzial zur Zerstörung der ganzen Welt und damit der gesamten Menschheit, wenn man den Lauf der Dinge nur den falschen (dem Wirtschaftskonzern Weyland-Yutani oder der Cyberdyne Systems Corporation) überließe.
1992 – ›Alien3‹ – Regie: David Fincher
Die Idee der starken Frau und die der Mutterschaft werden in diesem Teil der Saga auf die Spitze getrieben: Weaver / Ripley strandet völlig allein auf einem Planeten für hochgefährliche, ausschließlich männliche Strafgefangene, die alle entweder ›Mörder oder Vergewaltiger oder Kinderschänder‹ sind. Hier gilt es sich für unsere Heldin erst einmal zu behaupten. Im Verlauf des Films entdeckt sie außerdem, dass sie einen sogenannten Chestburster, eine Art Larven-Stadium der Aliens, in sich trägt. Er hat die Form der uns bekannten Königin. Damit ist Ellen Ripleys Tod vorbestimmt, freilich mit der Aussicht so auch eine neue Form des Aliens, mit dem Besten aus beiden Welten hervorzubringen (die schlüpfenden Aliens haben genetisch stets Anteil an ihren vorigen Wirten!); die Mensch-Mutter gebäre eine Alien-Mutter. Diese Vermischung der Rassen ist erst vom darauf folgenden Teil der Reihe und nun noch einmal von ›Avatar‹ überboten worden. Doch die Firma ist schon wieder unterwegs, um sich des Embryos zu zweifelsfrei militärischen Forschungszwecken zu bemächtigen. So wählt Weaver / Ripley konsequenter Weise den Freitod, für sich und ›ihr Kind‹.
1997 – ›Alien: Resurrection‹ – Jean-Pierre Jeunet
Wie es der Titel bereits sagt, werden hier sowohl Ellen Ripley, als auch die Alien-Queen als Klone wiedergeboren. Der Haken an der Sache ist, dass den Wissenschaftlern keine reinrassigen Kreaturen gelungen sind; die verfügbaren Genreste ließen sich nicht einwandfrei von einander trennen. Beide Wesen haben genetisch, organisch und im Verhalten Anteil an der jeweils anderen Rasse. Weaver / Ripley hat die Kraft und Sinneswahrnehmungen wie ein Alien und wird von diesen auch als eine der ihren anerkannt. Die Queen wiederum verfügt über eine menschliche Gebärmutter, mittels derer sie neue ungewöhnliche Mischwesen gebiert. Diese Kreaturen sind allesamt ein Scheitern nach dem anderen. Ein Alptraum der Transformation. Für sie alle kommt ihre Vernichtung nun nicht mehr als Prinzip der Selbstverteidigung des anderen in Frage, sondern schlicht als ethisch-moralische Verpflichtung. Weaver / Ripley muss sich denn auch ernsthaft fragen, wer oder was sie eigentlich noch ist: innen Alien, außen Mensch. Hülle und Kern sind zu verschieden, um eine überzeugend kongruente Identität zu bilden. (Erst in ›Avatar‹ wird sie diesbezüglich ihren Frieden finden.) Der eine oder andere mag das ähnlich aus dem Alltag kennen: man ist schon über zwanzig Jahre alt und wird dennoch um den Ausweis gebeten, wenn man mal ein Bierchen kaufen will, weil man schlicht zu jung ausschaut.
Wer ›Avatar‹ gesehen hat, der wird schon ahnen, worauf ich hier hinaus will; auf Weavers Entlassung nämlich, ihre Entlassung aus dem Dienste der ewigen Alien-Widersacherin und stattdessen auf ihren Seitenwechsel, der schlicht nur konsequent und längst schon überfällig ist …
!Achtung! Spoilers ahead!
2009 – ›Avatar‹ – Regie: James Cameron
›Avatars‹ Heldin Neytiri ist ein Alien (Na’vi), eine Kriegerin der ersten Stunde sowie (nach dem Tod ihres Vaters) die Königin (Queen!) ihres Volkes. Sigourney Weaver spielt hier jedoch nicht ihren Widerpart sondern mit der Figur der Dr. Grace Augustine, mehr eine Art Zoologin im Stile der Dian Fossey (›Gorillas im Nebel‹). Ihre Einfühlung in den von ihr untersuchten Bio-Kosmos gelingt nicht zuletzt deshalb so gut, weil sie mittels eines Avatars quasi direkt in die Haut der Na’vi schlüpft. Wieder ein aufwendiger Trick der Technik, im Dienste einer durch den Konzern RDA mining finanzierten Wissenschaft. So sehen wir sie (wie auch den männlichen Protagonisten Corporal Jake Sully) abwechselnd und wie scheinbar selbstverständlich mal auf der einen und mal auf der anderen Seite wandelnd. Die Avatare sind ihre zweiten Körper, metabolische Fahrzeuge für die Reisen in eine andere Welt. Mächtige Werkzeuge, die die Frage nach der Identität ihres Piloten rechtfertigen, wenn seine Erfahrungen als Na’vi schließlich ebenso real sind, wie die, die er als Mensch macht: Nur zwei verschiedene Hüllen und darin jeweils ein und derselbe Kern?
Weaver spielt in ›Avatar‹ nicht Lt. Ellen Ripley aus der Alien-Reihe. Dennoch kann man nicht anders, als an Ripley denken, sieht man Weaver in einem Alien-Film, und tatsächlich scheint sich gleichsam Ripleys Geschichte mit den Erfahrungen von Dr. Grace Augustine in ›Avatar‹ fortzuschreiben:
In ›Alien: Resurrection‹ war Weavers / Ripleys Gefühlsbindung an die Aliens bereits naturbedingt stark. Das gleiche, wenn auch aus anderen Gründen trifft auf Weaver / Augustine zu. Sie empfindet eine tiefe, mütterlich-fürsorgliche Verpflichtung gegenüber den Ureinwohnern Pandoras und möchte bald lieber unter ihnen wohnen, als weiter unter den Menschen. Als sie schwer verletzt wird, bietet sich ihr eine letzte Chance zu diesem neuen Leben: Unter Mithilfe der Baum-Gottheit ›Eywa‹ soll Weavers Geist für immer vom Menschen- in den Na’vi-Körper transferiert werden. Damit hätte sie (Weaver / Augustine / Ripley) endlich vollends die Seiten gewechselt, so wie es sich schon in den ›Alien‹-Filmen nach und nach andeutete. Dieser Versuch misslingt allerdings, beide Körper verbleiben leblos nach der Zeremonie. Weaver faselt allerdings noch etwas von einem Licht, kurz bevor sie glückserfüllt entschläft, und wir alle ahnen, was das bedeuten kann. Tatsächlich, so erfahren wir ein wenig später, ist Eywa auch der Hort der Ahnen, melting pot der Seelen, Treffpunkt der Verstorbenen. Und so geht Weaver / Augustine / Ripley (mit all ihrem Wissen und ihren bisherigen Erfahrungen!) sehr erfolgreich in das kollektive Gedächtnis & Bewusstsein vom Volk der Na’vi über. Dr. Grace hat ihre Gnade Gefunden. Ein Glücksfall, wie sich später noch erweisen wird.
Wie es der Zufall (bzw. James Cameron) will, muss unsere Alien-Queen Neytiri im ›Avatar‹-Finale gegen Colonel Miles Quaritch kämpfen. Der ist in einen Kampfroboter geschlüpft, der wie eine direkte Weiterentwicklung des Powerloaders aus ›Aliens‹ daherkommt. Klar, nun mit Waffen und auf Kampf hin ausgerichtet, eben ein militärischer Kampfroboter und nicht allein ein Lastenheber, aber im Prinzip doch sehr baugleich. History repeating, wenn man so will. Wir alle wissen, in ›Aliens‹ erlag die Alien-Queen dem Powerloader. Auch Quaritch und sein Kampfroboter erscheinen zunächst übermächtig und sind eifrig dabei, alles platt zu machen, was ihnen in den Weg kommt. Auch für Neytiri sieht es gar nicht gut aus. Unser Mann im Team, Jake Sully, hat auch schon auf die Mütz’ bekommen und ist ihr keine Hilfe mehr. Doch Neytiri findet einen Weg, ihren eigenen Weg. Sie tötet den ›Operator‹ des Maschinenmonstrums, den Mensch in der Maschine, sie tötet Quaritch selbst. (Und wieder sind wir an einen Klassiker erinnert, Orson Welles’ ›War of the Worlds‹ …)
Da ist sie wieder, Camerons starke Frau! Neytiri siegt. Zum ersten Male siegt die Alien-Queen, verliert die Technik. Nie war der Stand der Forschung, der Technik und der Maschinen in einem Cameron-Film so fortgeschritten, wie jetzt in ›Avatar‹. Trotz oder vielmehr genau deswegen ist sie zum Scheitern verurteilt. Hier bleibt Cameron sich treu. Und doch verkehrt sich etwas: In ›Avatar‹ wird nun der Mensch zum fremden Wesen. Fremd für die Na’vi (›die vom Himmel kamen‹) und fremd gegenüber sich selbst, weil durch Technik (Avatare / Kampfroboter) deformiert. Dem Menschen als Wesen an sich gelingt hier kein Zugang zum Anderen. Er bedarf stets des Mittels; einer Erweiterung seiner selbst, die ihn verbinden soll mit allem Fremden. Die Na’vi haben hierfür ihr ›Schwänzlein‹, ein plumpes Bild für ihre Naturverbundenheit, ärmliches Tribut an uns Bild- und damit Beweisgläubige. Und so triumphiert schließlich die Natur. Das Paradies ist zurück-erobert.
Wie aber lässt sich Neytiris Sieg erklären? Sigourney Weaver ist auch hier der Schlüssel, wir erinnern uns: sie ging in den Ahnen-Kosmos der Na’vi über; und eben diesen bemüht Sully kurz vor dem Finale, um Unterstützung gegen den Feind zu erbeten. Glaubt man den Mythen der Na’vi, so habe Eywa diese verbindende Macht. An sie apelliert Sully mit der ›Kraft seines Pferdeschwanzes‹. Welche Unterstützung gegen einen Kampfroboter im Stile eines Powerloaders wäre geeigneter, als die der starken Frau Weaver / Ripley? Welche Unterstützung gegen skrupellos brutale Militärs, die Aliens wegmetzeln wollen, wäre geeigneter, als die der erfahrenen Kämpferin Weaver / Ripley? Welche Unterstützung gegen fragwürdige Wirtschaftsinteressen von Großkonzernen, wäre geeigneter, als die von Weaver / Ripley aus der Alien-Reihe?
Es ist schon so, dass die Figur von Dr. Augustine, als weiser Übermutter aus dem Jenseits, erst Sinn macht, da sie mit Weaver (alias Lt. Ellen Ripley) besetzt wurde. Für ihre eigene Glaubwürdigkeit sowie für den Film ›Avatar‹ als ganzes. Und so kann endlich auch Ridley Scotts Lt. Ripley in Frieden ruhen. Wir brauchen keinen neuen ›Alien‹-Film! Weaver / Ripley und die Aliens sind dank Weaver / Augustine für immer ausgesöhnt. Der Kampf, den Scott 1979 begann, ist nun endlich, 30 Jahre später, beigelegt. Vielen Dank James Cameron.