Courbet
Partisan der Malerei
Drei heterogene Kurzfilme auf einer DVD illustrieren Gustave Courbets Stellung als Revolutionär der Malerei im 19. Jahrhundert, als malenden Philosophen und als Kämpfer für das Wahre in der Kunst. »Ich will alles oder nichts.« Alle diese Beschreibungen lassen vermuten, dass der Mann es nicht einfach hatte. Doch welcher Künstler hat es schon einfach. Irgendwie erwartet man das auch von ihm: dessen Kunst ist gut, welche aus dem Leiden am Bestehenden sich nährt. »Große Malerei will ich schaffen.« Rein objektiv betrachtet gäbe Courbets gutbürgerliche Herkunft wenig Anlass zum Mitleid. Um so bemerkenswerter ist sein Engagement wohl einzuschätzen. »Mein Name muss in fünf Jahren in Paris bekannt sein. Etwas Mittleres gibt es nicht.«
In einem amüsanten Parforceritt beleuchtet Romain Goupil mit ›Gustave Courbet – Die Ursprünge seiner Welt‹ in 52 Minuten Courbets Leben und Gedankengut, sein Schaffen sowie dessen Wirkung in seiner Zeit. »Die Kunst muss zu Ausschweifungen verführt werden.« Das ist brillant gemachtes, lehrbuchreifes Infotainment und rechtfertigt allein schon den Erwerb dieser DVD. Nicht nur, weil es kurzweilig, unterhaltsam und informativ zugleich ist. Sondern: weil sich mit jeder Minute der Eindruck verstärkt, dass Goupil mit dieser seiner Art der Inszenierung selbst den schnellen, fordernden Geist Courbets uns auf den Bildschirm zu transportieren vermag. »Seit nunmehr zehn Jahren führe ich den Krieg der Intelligenz.« Zwischen und über den Bildern und Erzählungen aus Courbets Leben werden wir immer wieder konfrontiert mit energisch vorgetragenen Passagen aus Courbets Briefen an seine Familie, die ihn Zeit seines Lebens finanziell unterstützte. Der Ton dieser Briefe ist bestimmend, fordernd, bisweilen keck, immer selbstgewiss. Die finanzielle Unterstützung ist, das merken wir schnell, keine Frage des Bittens. Courbet weiß früh, was er will und tut viel dafür. Zumindest rechnet er in den Briefen die Stunden seines tagtäglichen Studierens der Meister und seines Übens an Akten und Vorbildern in aller Breite vor. Viele Fragen die man an Courbet haben könnte, lässt Goupil ihn selbst beantworten. »Zu lange schon ist … Kunst anständig und pomadisiert. Zu lange schon produzieren die Maler, meine Zeitgenossen, eine von Ideen und Vorlagen bestimmte Kunst.« Auch Courbets Kritiker und Bewunderer kommen zu Wort und erhärten den Eindruck eines noch für die Moderne bedeutsamen, immer streitbaren und willensstarken Charakters, der die soziale Revolution außerhalb der Politik und durch die ›wahre‹ Kunst will. »Man darf hoffen, dass irgend ein Maler aus derselben Schule unter dem Vorwand des Realismus bald einen Misthaufen darstellen wird.« Der Optimist behauptet gerne, der Realist sei der weitaus schlimmere Pessimist. Ein Blick auf ›Goupils Courbet‹ zeigt das Gegenteil: den Realisten als durchaus geeigneteren Optimisten, weil der irreführenden Rührseligkeit und Schwärmerei des ersten ledig. Goupil ist ein begeisternd leidenschaftlicher Film gelungen. Er vermag zwar nicht die titelgebenden Ursprünge von Courbets Welt zu offenbaren, macht aber abgesehen davon alles richtig.
»Ich sage immer die Wahrheit. Nie die ganze. Denn das … ist faktisch unmöglich.« (Jacque Lacan)
Jean-Paul Fargiers Kurzfilm ›Der Ursprung der Welt‹ widmet sich dem titelgebenden, einem der bedeutendsten Werke Courbets und dessen verschlungener Geschichte. Ein Jahrhundert lang, bis 1967, wechselte es die Besitzer, blieb versteckt, geheim gehalten und bisweilen verleugnet, bis es im Arbeitszimmer des Psychoanalytikers Jacque Lacan hinter einem Bild André Massons wiederentdeckt wurde. Auf kriminalistische Weise rekonstruiert Fargier den Weg dieses wohl pornografischsten Bildes der Kunstgeschichte über mehrere Zwischenbesitzer und deren Hinterzimmer hinweg, bis es schließlich in den 1990er Jahren in den Besitz des Musée D’Orsay gelangt. So ist dieser Film auch ein interessantes Zeugnis vom Wandel der Begriffe Kunst und Pornografie innerhalb vergangener Dekaden.
»Abstrakte, unsichtbare und nicht existierende Objekte fallen nicht in den Bereich der Malerei.«
Alain Jaubert widmet sich in ›Der Platz des Todes‹ 30 Minuten lang einer kunstwissenschaftlichen Erläuterung, Analyse und Interpretation von Couberts ›Ein Begräbnis in Ornans‹ von 1851. Dieser mehr als sechs mal drei Meter messende Riese zeigt 46 Personen und einen Hund an einem offenen Grab. Jaubert geht auf die historischen und biografischen Hintergründe dieses Gemäldes ein und er verweist auf künstlerische Vorbilder, Inspirationen sowie wahrscheinliche und vermutete Einflüsse Couberts. Er rekonstruiert die Komposition und die Identitäten der meisten der abgebildeten Personen, schildert die Reaktionen der Kritiker, Spötter und Museen auf das Gemälde und bietet verschiedene Lesarten des Motivs an. Zu guter Letzt liefert er auch mehrere Hypothesen zur Identität des/der anonymen Toten.
Jauberts und Fargiers Filme stammen aus der Mitte der 1990er Jahre und sind damit ca. zehn Jahre älter als der erstbeschriebene. Sie konzentrieren sich jeweils auf ein einzelnes Gemälde Courbets. Sie sind sachlicher gehalten als der jüngere, der zügig einen Überblick über Courbet, sein Schaffen und sein Wirken gibt, was ihn zum idealen Einstieg für die Courbet-Rezeption macht. Für deren Vertiefung sind die anderen wiederum hervorragend, wenn ihnen auch ein wenig Auffrischung gut tun würde. Eine insgesamt sehr gelungene Zusammenstellung.